Zeitgleich mit den Feierlichkeiten zum 40-Jahr-Jubiläum der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) und dem 30-Jahr-Jubiläum der Österreichischen Notariatsakademie (NotAk) starten die österreichischen Notare/innen ein zukunftsweisendes Projekt: die „digitale GmbH-Gründung mit dem Notar“. Modernste Technologien in Kombination mit Top-Beratungsqualität und den gewohnt hohen Sicherheitsstandards sollen – auch im Sinne einer positiven Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes – den Weg in eine erfolgreiche digitale Zukunft ebnen.
Das Pilotprojekt digitale GmbH-Gründung im Überblick
„Nur wer besser wird, bleibt gut“. Unter diesem Motto bietet die NotAk nicht nur seit 30 Jahren maßgeschneiderte Aus- und Weiterbildungsprogramme zu Rechts- und Managementthemen, Persönlichkeitsentwicklung und Sprachen für die rund 1.100 Juristen/innen und mehr als 3.000 Mitarbeiter/innen an, sondern dies gilt auch für die Zukunftsstrategie der heimischen Notare/innen. „Bei Geschäfts- und Dienstleistungsmodellen wird auf Grund der neuen technologischen Möglichkeiten kein Stein auf dem anderen bleiben“, so Ludwig Bittner, Präsident der ÖNK, „daher beschäftigen sich die Notarinnen und Notare als aktive Partner der Wirtschaft intensiv mit Modellen, wie diese technologischen Möglichkeiten – für und gemeinsam mit unseren Klienten – bestmöglich genutzt werden können.“
Qualität der Beratung bei Gründung entscheidend
Das Pilot-Projekt „Digitale GmbH-Gründung mit dem Notar“, das im Sommer in 16 Pilot-Kanzleien in die Testphase gehen wird, ist nun ein weiterer Schritt auf diesem Weg und für Bittner eine „logische Weiterentwicklung unserer bereits gelebten Arbeitspraxis eines digitalen Workflows mit der Justiz“. Die 514 österreichischen Notare/innen reagieren damit aber auch auf die ab 1. Jänner 2018 mögliche vereinfachte Gründung einer Ein-Personen-Gesellschaft (ein Gesellschafter, der eine natürliche Person und Geschäftsführer ist) über das Unternehmer-Serviceportal (USP) der Republik – ohne notarielle Beiziehung. „Wir begrüßen Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung“, betont Bittner, „allerdings glauben wir, dass durch den Verzicht auf Beratung den zukünftigen Unternehmern – bei aller Euphorie über die technologischen Möglichkeiten – kein Gefallen getan wird.“ Aus jahrzehntelanger Praxiserfahrung habe sich gezeigt, dass nur in Ausnahmefällen die Regelungen einer minimalen Mustersatzung ausreichend sind. „Digitale Anwendungen wie cyberDOC zur Archivierung kommen selbstverständlich auch in den österreichischen Notariaten zum Einsatz. Es geht uns beim Thema Digitalisierung nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine sinnvolle Kombination. Unser Anliegen ist ein sorgenfreies Rechtsleben des Neu-Unternehmens, wofür die Qualität der Beratung im Zuge der Gründung entscheidend ist. Und die kann nur über höchstqualifizierte, erfahrene, ‚menschliche‘ Partner für jedes Unternehmen maßgeschneidert gewährleistet werden“, erläutert der ÖNK-Präsident.
Spitzenreiter bei Beratungsthemen: „Übertragung von Gesellschaftsanteilen“
Und der Beratungsbedarf bei Gründern ist weitaus höher als gemeinhin angenommen wird. „Mit einem Standard-Gesellschaftsvertrag ist man da sehr schnell an den Grenzen“, erklärt Michael Umfahrer, Leiter des ÖNK-Fachausschusses für Unternehmensrecht und als Notar fachlich spezialisiert auf Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. Die Palette der zu klärenden Fragen beginnt damit, ob eine Einzelperson überhaupt eine GmbH als Rechtsform für ihre Geschäftszwecke braucht, setzt sich mit dem Unternehmensnamen, dem Wirtschaftsjahr, etc. fort und endet mit der Regelung der Liquidation einer Gesellschaft. Bei einer Mehr-Personen-Gesellschaft gilt es noch mehr zu beachten, „in einer internen Umfrage bei den österreichischen Notariaten führt das sehr komplexe Thema „Übertragung von Gesellschaftsanteilen“ die Liste der meist gefragten Beratungsthemen an“, so Umfahrer. Rund um die Gründung eines Unternehmens gibt es sehr viel zu bedenken, daher umfasst die Beratung durch den Notar auch zusammenhängende Rechtsgebiete wie Gewerbe-, Steuer-, Familien-, Erb- und Immobilienrecht. „Um unseren Klienten ein optimales Service bieten zu können, arbeiten wir beispielsweise auch eng mit den Steuerberatern zusammen“, ergänzt ÖNK-Präsident Bittner.
Unparteilichkeit des Notars bei Start-ups sehr gefragt
Im Vorfeld des Pilot-Projekts wurden zur Bedarfserhebung bei Start-ups mit jungen Gründern im Science Park Graz, einem Gründerzentrum für Start-ups, Interviews geführt. Aus diesen geht der Beratungsbedarf ebenso klar hervor: Vor allem verlässliche Informationen und Checklisten für die Gründung (von rechtlichen über gewerbe- und finanzspezifische Themen bis hin zu Fördermöglichkeiten) sind gefragt. Gewöhnt die technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, stoßen die Gründer jedoch an Grenzen: „Wenn ich die genaue Frage nicht kenne, woher soll ich dann wissen, ob das, was ich finde, für mich richtig ist“, fasst ein potentieller Gründer die Situation prägnant zusammen. Neben der Beratung stieß vor allem die Unparteilichkeit des Notars bei der Beratung und Erarbeitung des Gesellschaftsvertrages auf höchstes Interesse, da bei den meisten Start-ups der Einstieg weiterer Partner, vor allem Financiers, gleich mitbedacht werden muss.
„Proof of Concept“-Phase ab Sommer
In der ab Sommer laufenden Testphase wird überprüft, ob die gewählten technischen Systeme und Prozesse für den Ablauf in den Notariaten geeignet sind und wie „analoge“ Dienstleistungen wie z.B. die Face-to-face-Identifizierung, persönliche Beratungstermine, etc. in den digitalen Ablauf integriert werden können. Parallel dazu werden die legistischen Anforderungen erarbeitet, die eine digitale GmbH-Gründung beim Notar rechtlich erst ermöglichen werden. „Wir werden unsere Vorschläge für eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen an das Bundesministerium für Justiz und das Parlament herantragen. Wir können auch digital, man muss uns nur lassen“, betont Bittner.
Höchstmögliche Sicherheitsstandards
Die digitale GmbH-Gründung (siehe auch Beilage) basiert auf der Überprüfung der Identität einer Person über das seit 1. Jänner 2017 für Banken zugelassene Videoident-Verfahren. „Wir gehen hier im Sinne höchstmöglicher Sicherheit aber noch einen Schritt weiter und ergänzen das um die bei uns bereits jetzt üblichen weiterführenden Prüfungen „political exposed person“, Geldwäsche, wirtschaftlicher Zweck und Eigentümer“, so Umfahrer.
Dadurch sei die Identifikation im Notariat qualitätsvoller und sicherer als vergleichbare Online-Identifikationen. Nach der Identifikation wird ein gesicherter Datenraum eingerichtet, den nur der Notar und der/die Gründer zur Erarbeitung des Gesellschaftsvertrages, zum Austausch von Informationen, etc. „betreten“ können. Die Gründer müssen sich dafür jedes Mal elektronisch identifizieren. Jeder einzelne Arbeitsschritt bzw. Zugang zu diesem Datenraum wird protokolliert, das Protokoll ist nur vom Notar einsehbar. Die Beratung – das Kernelement in diesem digitalen Workflow – erfolgt über Videokonferenz-Systeme. Diese kommen auch zum Einsatz, wenn schlussendlich Einigkeit über den Gesellschaftsvertrag besteht: Die Rechtsbelehrung aller Gesellschafter erfolgt gleichzeitig über Videokonferenz, in einem eingeblendeten Secure Viewer wird der Gesellschaftsvertrag von jedem einzelnen Gründer per Handy-Signatur unterzeichnet, während der Notar die Gründer am Bildschirm sieht. Der unterschriebene Notariatsakt mit Unterschriftenproben-Blatt inkl. Handy-Signatur und Bank-Bestätigung wird wie bisher via ERV an das Firmenbuch übermittelt. Der Eintragungsbeschluss und der Firmenbuchauszug werden dann im Datenraum hinterlegt und können von den Gründern dort „abgeholt“ werden. Der unterfertigte Gesellschaftsvertrag wird wie bisher in cyberDOC archiviert, zusätzlich werden alle Daten aus dem Datenraum (vom Notar digital signiert, in komprimierter, verschlüsselter Form) in cyberDOC zur Beweissicherung abgelegt. Danach wird der Datenraum „geschlossen“ und nicht wieder herstellbar gelöscht.
Gesetzlicher Anpassungsbedarf
Damit diese innovative Lösung für Gründer in den österreichischen Notariaten breit „on air“ gehen kann, bedarf es einiger Anpassungen in der Gesetzgebung: So müsste den Notaren/innen die Online-Identifikation mittels Videoident-Verfahren und der Erlass entsprechender Richtlinien in der Notariatsordnung ermöglicht werden. Weiters bedarf es der Zulassung eines amtlichen elektronischen Ausweises zur Identifikation und von Videokonferenzen als zusätzliche Möglichkeit der Beratung und zur Leistung von Unterschriften im Rahmen der Beurkundung. Letzteres könnte an die Bestimmungen des Aktiengesetzes zur Satelliten-Hauptversammlung unter Aufrechterhaltung des „unitas actus“ entsprechend den Möglichkeiten moderner Kommunikationstechnologien angelehnt werden. „Mit dieser Kombination aus persönlicher individueller Beratung und einer vereinfachten, schnelleren Abwicklung über digitale Technologien unter Gewährleistung gewohnt hoher Sicherheitsstandards vereinen wir für Unternehmensgründer das Beste aus beiden Welten. Und entsprechen damit auch den Intentionen der EU-Kommission hinsichtlich der Digitalisierung im Gesellschaftsrecht“, definiert ÖNK-Präsident Ludwig Bittner abschließend die Zielsetzungen des Pilot-Projekts.
Rückfragehinweis:
Österreichische Notariatskammer,
Landesgerichtsstraße 20,
1011 Wien,
Tel.: +43/1/40245170,
marion.aitzetmueller@notar.or.at
PR-Agentur Prima,
Stubenbastei 2,
1010 Wien,
Tel.: +43/664/88 469 477,
ricki.strick@prima.co.at
Kommentare